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Zwischen Protest und Stille – als autistische lesbische Transfrau

Ich kämpfe auf der Straße für Rechte und Sichtbarkeit und zuhause gegen Stille sowie Isolation. Warum ich diese Reihe nach zehn Monaten Blogpause beginne und was ich mir davon erhoffe.
 Das Aktivismus-Tagebuch Das Leben einer Transfrau Der Einblick in meiner Arbeit  

Diese Blogartikel-Reihe entsteht, während ich parallel an meinem Buch arbeite. Das Buch braucht noch Zeit – aber vieles, was darin steht, will ich jetzt teilen. Nicht als Werbung, sondern weil diese Themen nicht warten können: Einsamkeit neben Aktivismus, Autismus neben Sichtbarkeit, Liebe neben politischem Druck. Jeder Teil dieser Reihe ist ein offenes Kapitel, ein Zwischenruf, ein Stück Realität, das sonst zu leicht zwischen To‑do‑Listen, Protesten und Vernetzungstreffen  untergeht.

Ich schreibe diese Texte aus drei Gründen. Erstens, um zu zeigen, wie es hinter meinen Kulissen aussieht: eine autistische, lesbische Transfrau, die bei Protesten vor 500 Menschen mühelos kämpferische Reden hält und danach zu Hause tage bis wochenlang die Stille aushalten muss. Zweitens, um sichtbar zu sein; Sichtbarkeit ist meine Währung, um für meine Anliegen zu kämpfen und es ist Zeit, nicht nur für andere, sondern auch für mich zu kämpfen. Drittens, um Brücken zu bauen: zu Menschen, die sich in etwas davon wiederfinden; zu denen, die Verbündete sein wollen und noch nicht wissen, wo sie anfangen und zu der einen Person, die seit Jahren mein wichtigster Halt ist und die, egal was passiert, in meinem Herzen bleibt, weil sie unersetzbar ist.

Für den wichtigsten Menschen in meinem Leben: Dieser Text ist auch für dich gewidmet – als Wertschätzung. Vielleicht erkennst du dich in manchen Zeilen über mein Leben wieder.

Ich kämpfe auf der Straße für Rechte und Sichtbarkeit und zuhause gegen Stille und Isolation. Mein Alltag als autistische lesbische Transfrau zeigt, wie sehr Nähe, Präsenz und Akzeptanz über Lebensqualität entscheiden.

Viele sehen nur die starke Seite: die Transfrau, die in Berlin queerfeministische Proteste organisiert, mit Queermany sowie in Bündnissen Menschen mobilisiert, die aktiv Bündnisse schmiedet und sich mit Politik, staatlichen Stellen und rechten Netzwerken anlegt. Die besonders dann hellwach und strategisch aktiv wird, wenn der Gegner aktivistische Akteur*innen unterschätzt und dadurch unfreiwillig reichlich Munition liefert.

Diese Seite existiert. Doch sie ist nicht vollständig. Die ganze Wahrheit ist: Ich bewege mich in zwei Öffentlichkeiten. Die eine ist laut, vernetzt, organisiert und kämpferisch – auf der Straße, in Bündnissen, in direkter Auseinandersetzung. Die andere ist leise, zurückgezogen, oft einsam – in meinem Wohnzimmer, wo nach den großen Momenten die Stille bleibt und die einzige regelmäßige Präsenz sowie Nähe von meiner eigenen Wohnungskatze kommt.

Sichtbarkeit ist für mich zugleich Schutzschild und Einladung. Sie schützt, weil Menschen, die mich kennen, mich nicht so leicht unsichtbar machen können – weder politisch noch privat. Auch, weil wir als Autist*innen und lesbische Transfrauen inmitten all des gesellschaftlichen Trubels und der Ignoranz sonst einfach untergehen und niemand bemerkt, wenn wir leiden. Und sie ist eine Einladung an andere, ihre Geschichten zu erzählen, damit wir nicht glauben, unsere Kämpfe seien Einzelfälle und damit sich hoffentlich auf Dauer etwas in der Gesellschaft verändert.

Das Private ist für manche kein Thema in der Politik oder im Aktivismus. Für uns hingegen ist es politisch – weil es eine der wenigen Möglichkeiten ist, laut zu sein, der erlebten Ungerechtigkeit ein Gesicht zu geben und endlich wahrgenommen zu werden.

Meine depressiven Phasen und Schlafrhythmus-Probleme durch die fehlende regelmäßige Präsenz von weiblich gelesenen Personen, mein starkes Bedürfnis nach Nähe zu Frauen, die finanziellen Belastungen meines damaligen Aktivismus bei der Letzten Generation, die enormen Kosten meiner Transition – weil das System A zu viele Barrieren errichtet, die es gerade für Autist*innen extrem erschweren und B bestimmte Aspekte gar nicht von der Krankenkasse übernommen werden, obwohl das eigene Wohl entscheidend davon abhängt und das Stigma rund um Sexarbeit, bei der man die sexuellen Erlebnisse fast ausschließlich mit Männern hat, obwohl man sexuell bi ist, in Freundschaften und Beziehungen jedoch lesbisch lebt, was die Situation insgesamt nur verschlimmert: Das sind keine Randnotizen.

Sie sind Teil eines Systems, das Menschen wie mich strukturell vereinzelt und gleichzeitig erwartet, dass wir uns „trotzdem“ beweisen und funktionieren – teils sogar im Aktivismus. Und trotz allem stehe ich als kämpferische Queerfeministin auf der Straße, in Strukturen und in der Kampagnenarbeit – aber ab heute seht ihr auch die andere Seite.

Ich will, dass wir uns daran erinnern: Aktivismus ist kein Ersatz für Nähe oder für die Präsenz weiblich gelesener Personen im eigenen Leben. Natürlich ist es ein schönes Gefühl, in einem Team, das zu drei Vierteln aus weiblich gelesenen Personen besteht, einen Protest auf die Beine zu stellen – ein wunderschönes sogar und leider nicht in allen Gruppen selbstverständlich, dass Männer die Minderheit sind. Aber politische Siege ersetzen kein erfüllendes Privatleben. Auf Dauer blutet man trotzdem aus und steht irgendwann vor der Entscheidung, wie man dem eigenen Untergang vorbeugt oder ihm begegnet. Und eine volle Timeline ist kein Ersatz für eine gefüllte Wohnung. Kein Mensch – egal, wie stark er wirkt – ist unerschöpflich. Jede*r wird irgendwann kippen.

Wenn wir kämpfen, dann nicht nur für Paragrafen oder gegen politische Gegner. Wir kämpfen für ein Leben, in dem wir abends nicht allein in der Stille sitzen – ohne die lähmende Leere, wenn Nähe und Wärme fehlen. Für Räume, in denen Präsenz nicht erkämpft oder ständig neu verhandelt werden muss, sondern selbstverständlich ist. Für ein Miteinander, in dem wir mehr sind als unsere Schlagworte, mehr als unsere Labels – Menschen mit Geschichten, Bedürfnissen und einem Recht darauf, gesehen und gehalten zu werden.

Am Ende gilt für mich: Ich kann nicht nur für andere laut sein. Ich muss auch für mich selbst laut bleiben – damit ich atmen kann und nicht vergesse, wer in meinem Herzen für immer unverrückbar ist. Diese Blogreihe ist auch für dich. Viele Gedanken darin wären ohne dich nie entstanden und vielleicht erkennst du dich in manchen Zeilen wieder.

Doch diese Haltung hat ihren Preis – nicht nur emotional, sondern auch finanziell. Als Vollzeitaktivistin ohne festes Gehalt trage ich die hohen Kosten meiner Transition selbst: Ab August alle sechs Wochen 260 Euro für lebensnotwendige Behandlungen, weil das System zu viele Barrieren errichtet und vieles nicht übernimmt. Dazu kommen Repressionskosten aus friedlichen Protesten. Beides zusammen ist eine Dauerbelastung, die ich allein kaum stemmen kann.

Wenn du meine Arbeit schätzt und möchtest, dass ich weiter laut bleiben kann – für mich und für andere – dann kannst du nach den Artikel auf einer der zwei Buttons draufklicken.

Im nächsten Teil: Meine Realität mit Autismus und Trans-Sein – zwei Sprachen, die ich jeden Tag gleichzeitig sprechen muss.